Wohnungssuche

Wohnungssuche Tag1: Cloudy with a Chance of Bay-View

Auch wenn die Letting Agencies gerne das Gegenteil erzählen. Wohnungen gibt es in Cardiff zu Hauf. Der Zustand der einen oder anderen mag fragwürdig sein, aber ein "shortage in flats" – wie vom Makler behauptet – ist nicht zu erkennen, nachdem er gleich drei Wohnungen aus dem Hut zaubert, die auf meine Kriterien passten: maximal 700 Pfund, halbwegs eingerichtet, halbwegs zentral, Waschmaschine und Fenster zum Öffnen. Ergebnis: drei Wohnungen in der Bay Area von Cardiff.
Die erste Wohnung liegt direkt am Wasser und bietet angeblich einen herrlichen Blick über die Bay. Eine Aussage, die leider auf Grund von Nebel nicht verifiziert werden kann. Vor den Fenstern hängt eine undurchsichtige graue Suppe. Beim Öffnen schlägt mir dagegen der Lärm vom Highway am anderen Ufer entgegen. Also nichts.
Die zweite Wohnung mitten im Zentrum der Bay Area erinnerte an ein New Yorker Loft. Im vierten Stock, mit silbernem Abzugsrohr, das sich dekorativ unter der Decke durch die Wohnung schlängelte. Leider zu kalt, zu leer und schon lange nicht mehr bewohnt. Also auch nichts.
Zur dritten Wohnung fehlen noch die Schlüssel, die Landlady erklärte sich jedoch auf telefonische Anfrage vom Makler bereit zwei Stunden mit dem Zug nach Cardiff zu fahren und die Schlüssel höchst persönlich zu bringen. Als sie ankommt, machen wir uns zu dritt auf zur nächsten Besichtigung. Und wie erhofft: klein, sauber, nette Einrichtung, fertig zum Einziehen. Also habe ich wohl meine Wohnung gefunden?
Da sich inzwischen der Nebel komplett verzogen hat und die Sonne vom Himmel strahlt, nimmt uns der Makler gleich mit zu einer Bay-Besichtigung mit anschließender Standrundfahrt. Resümee für den ersten Tag:

  • Drei Wohnungen in sehr unterschiedlichem Zustand besichtigt.
  • Zwei sehr nette Engländer, sorry Walliser, kennengelernt.
  • Einiges von Cardiff gesehen.

Wohnungssuche Tag 2: Good value für price

Erstaunlich wie viele Leute sich für die Wohnung interessieren. Angeblich war heute Morgen wieder jemand zu einer Besichtigung in „meiner“ Wohnung. Vermutlich wollte der Makler einfach Druck machen. Ich soll mich endlich entscheiden …
Ich hatte mich aber bereits dafür entschieden die Wohnung zu nehmen. Aber hoppla. So schnell geht es dann wohl doch nicht. Erst muss ein Bewerberbogen ausgefüllt werden, dann braucht es Referenzen vom Arbeitgeber in Deutschland (dass ich auch wirklich Geld verdiene), von der Universität in Wales (dass ich auch wirklich dort meine sechs Monate verbringe) und von meinem aktuellen Vermieter (dass ich immer pünktlich und regelmäßig meine Miete zahle). Wie gut, dass sie es mir nicht schon vorher gesagt haben, als ich noch alles prima  vor der Abreise hätte regeln können….
Für stolze 202 Pfund wird die Wohnung für mich reserviert, bis meine Daten geprüft sind. Nach einem hektischen Morgen stehe ich also um 11:00 Uhr wieder auf der Straße, mit einer reservierten Wohnung in der Hinterhand und drei Tagen vor mir zur freien Verfügung.
Und da ich bisher nur die Reservierung habe, aber noch keinen Vertrag, bietet es sich an über den Tellerrand zu sehen und wenigstens ein paar weitere Viewings, also Wohnungsbesichtigungen, zu machen. Zum einen, damit ich später sicher bin, mit der Wohnung die richtige Entscheidung getroffen zu haben, zum anderen um eventuell doch noch die perfekte Wohnung zu finden.
Gedacht, getan. Die reservierte Wohnung liegt in der Bay Area, aber ursprünglich hatte ich mir Roath oder Cathays vorgestellt. In Cathays liegt die University of Cardiff und der Stadtteil ist bevölkert mit Studenten aller Nationen. Das Viertel besteht fast ausschließlich aus Straßenzügen mit typisch englischen Häuserzeilen: grauer Backstein mit weißen Fenstern in den unterschiedlichsten Stadien des Verfalls. An jedem zweiten Fenster hängt ein Schild „to let“. Nach den Schildern zu urteilen, müsste das gesamte Viertel halb leer sein. Später werde ich lernen, dass die Schilder immer ausgehängt werden, wenn klar ist, dass der Vormieter in zwei Monaten auszieht, was bei Studenten eher häufiger der Fall ist.
Noch etwa fällt auf in Cathays. Direkt proportional zur Anzahl der „to let“ Schilder wächst – wenig überraschend – auch die Anzahl der Immobilienbüros. Das erste, offensichtlich mehr auf studentische Mieter ausgerichtet, erinnerte beim Eintreten eher an ein arabisches Teehaus inklusive plüschiger Sitzecke zum Teetrinken mit Räucherstäbchen. Der Makler, Typ italienischer Maffiosi vollständig mit Sonnenbrille und schwarzem Anzug, ist zwar sehr hilfsbereit,  bei der gewünschten two-double-bed-room-flat muss er jedoch passen.
Aber keine Sorge, drei Schritte weiter findet sich bereits das nächste Immobilienbüro. Es hat sogar eine Wohnung im Angebot: “A lovely place, quiet, new refurbished, furnished and such a good value for price.” Was kling wie die Traumwohnung schlechthin, entpuppt sich als Müllhalde mit kaputten Möbeln und einer alten und dreckigen Küche, die jeglicher Beschreibung spottet. Filmreif sind dagegen die Ausführungen des Maklers, der mich von Zimmer zu Zimmer führt und das Chaos in den höchsten Tönen anpreist. Als er mit Blick auf die Müllsäcke im Zimmer noch einmal betont wie sauber und ordentlich die Wohnung ist, kann ich mir das Schmunzeln nur noch schwer verkneifen. Alleine diese Erfahrung war die Besichtigung wert und brachte mir das beruhigende Gefühlt, mit meiner reservierten Wohnung doch nicht so falsch zu liegen.
Aber der Tag ist noch lang und der Immobilienfirmen gibt es viele auf dem Weg. Eine weitere Besichtigung folgt. Die Wohnung ist in Ordnung, allerdings ground floor, also Erdgeschoss. Genau genommen liegt sie schon halb unterhalb der Straße. Bei der Vorstellung, dass die Passanten draußen auf Bauchhöhe an meinem Wohnzimmer vorbei laufen (also ich sehe die Bäuche der Passanten), ist die Entscheidung schnell gefallen. Die Mülltonnen direkt unter den Fenstern geben das ihre zur Entscheidung hinzu.

Wohnungssuche Tag 3: ein Häuschen in Wales

Und weiter geht es. Für den Samstag vereinbare ich noch drei Viewings. Die erste Wohnung, nach der Beschreibung meine Favoritin, entpuppt sich als eine etwas abgewohnte Wohnung im ersten Stock wieder eines typisch englischen Reihenhauses mit Erker und eigenem Eingang über den Hinterhof. Leider doch etwas zu alt und abgewetzt.
Als nächstes kommt eine Schuhschachtel von Haus. Eigentlich gar nicht so schlecht. Unten Küche, Bad und Wohnzimmer, oben zwei Zimmerchen mit Dachschräge. Alles in allem würde ich die Gesamtfläche (also auf beide Stockwerke verteilt!) auf etwa 40 (naja, vielleicht auch 50) m2 schätzen. Immerhin ist ein abgeschlossener Hof mit ein paar Grashalmen dabei.
Letzter Besichtigungstermin ist wieder ein Haus. Und diesmal könnte meine bereits reservierte Wohnung direkt Konkurrenz bekommen. Etwas größer als Haus Nummer 2, bietet es noch einen Garten inklusive Gartenhäuschen und elektrischem Kamin (übrigens neben der Küche und diversen Einbauschränken das einzige Möbelstück im Haus). Aber laut Maklerin kommen die fehlenden Möbel noch, inklusive Waschmaschine und Vorhänge….

And the winner is ……

Es geht doch nichts über klare, eindeutige Entscheidungen, einmal gefasst und bis zum Ende durchgezogen. Heute morgen sollte Schlüsselübergabe für die Wohnung in der Bay sein. Alles ist vorbereitet, die Agency steht in den Startlöchern. Fünf Minuten vor Schluss dann doch noch der Rückzieher meinerseits. Nach einem Wochenende intensiver Überlegungen und vielen Diskussionen mit meinem Schatz, bekommt schließlich doch das Häuschen den Zuschlag. Die Aussicht auf Barbecues im Garten ist doch zu verlockend. Also zurück zum Start und alles noch einmal von vorne.

Finale

Der große Tag ist gekommen. Nach eineinhalb Wochen im Hotel beziehen wir (mein Schatz ist inzwishen auch angekommen) endlich unser Häuschen. Nachdem alle Verträge unterschrieben und wir um 1500 Pfund ärmer sind (Bond + erste Miete), bekommen wir die Schlüssel und machen uns auf den Weg in unser neues Domizil. Dort ist die Landlady, besser gesagt ihr Mann, noch mit den letzten Vorbereitungen beschäftigt, Waschmaschine anschließen, Spiegel an die Wand hängen, Tische aufbauen. Wie versprochen bekommen wir das Haus möbliert und da wir die ersten Mieter seit der Renovierung sind, ist alles funkelnagelneu.
Ein Trip zu Ikea verhilft uns noch zu den notwendigen Accessoires um die ersten Wochen zu überleben. Dann gilt es die elektrischen Installationen auszuprobieren. Das Haus stammt laut Landlady,  wie die übrigen Häuser rundherum, circa aus den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts. Die Familie der Landlady wohnte über 50 Jahre hier. Sie selbst ist in dem Haus aufgewachsen und erst zu ihrer Hochzeit ausgezogen. Seitdem wohnte noch ihr Vater im Haus musste aber schließlich in eine Einrichtung mit betreutem Wohnen ziehen. Unsere Miete wird wenigstens zum Teil die Kosten abdecken.
Obwohl komplett renoviert, spürt man an allen Enden das Alter des Hauses. Es gibt kein Gas und keine Fernwärme. Alles läuft über Strom. In einem der beiden Schlafzimmer steht ein Heißwasserkessel, der nachts von eins bis fünf aufheizt. Das muss für den Tag reichen (in der spartanischen Nachkriegszeit war das vielleicht sogar der Fall). Bei dringendem Bedarf gibt es noch die sogenannte "Boost" Funktion, die für eine Stunde heißes Wasser liefert als technische Hintertür für Vollbad-verwöhnte Warmduscher wie mich. Die Dusche hat zum Glück ihren eigenen Boiler.
Auch die Heizung läuft mit Strom. Und sie läuft mehr oder weniger wann sie will, solange man sie lässt. Das Haus ist komplett mit Nachtspeicheröfen ausgestattet, die nachts, wenn der Strom billig ist, aktiv aufheizen und tagsüber die Wärme abstrahlen. Konkret heißt das man friert sich die Zehen ab oder fühlt sich wie in der Sauna. Aber man spürt die Geschichte des Hauses und das war es ja was ich gesucht hatte. Auf die nächsten sechs Monate in meinem erste (gemieteten) Häuschen, Cheers!

Leave a Reply