Garbage

Es ist unübersehbar: Cardiff hat ein Müllproblem. Das bemerkt man nicht erst, wenn die Parteiwerbeblättchen ins Haus flattern und auf der Titelseite (egal von welcher Partei) grüne oder schwarze Müllsäcke prangen. Die Parteien, die im Council in der Verantwortung sind, betonen, wie wunderbar es doch mit der Müllbeseitigung funktioniert – auf ihren Flyern sind die Müllsäcke besonders ordentlich drapiert – die andere prangern die katastrophalen Zustände an mit entsprechenden Schockbildern wie Müllhaufen neben aufgeplatztem Müllbeutel.

Nun muss man sagen, dass der Waliser an sich nicht besonders sorgfältig ist, was die Müllbeseitigung angeht. Es wird fleißig alles in die Gegend geworfen, egal ob Mülleimer in der Nähe oder nicht. Irgendjemand wird es schon wegräumen. Und irgendwann kommt auch tatsächlich jemand und sammelt es auf.

Aber das ist nur die eine Seite des Problems. Nehmen wir als Beispiel Cathays. Wenn man durch die Straßen von Cathays läuft, fragt man sich manchmal, ob man im Slum von Cardiff gelandet ist. Überall liegen aufgeplatzte Mülltüten auf der Straße, der Müll stapelt sich in den Vorgärten. Dazwischen liegen Plastikflaschen, Einwegverpackungen, Pappbecher gemischt mit Bananenschalen und den Resten der letzten Studentenparty (nicht vergessen, Cathays ist das Studentenviertel der Stadt).

Ich wohne in Cathays und langsam lerne ich das Prinzip dahinter. Um es vorweg zu nehmen. Es gibt eine Müllabfuhr in Cardiff. Sie kommt auch regelmäßig (auch nach Cathays). Es gibt sogar Mülltrennung! Das Ganze funktioniert nach einem Farbensystem. Für jede Straße gibt es einen Plan, wann die Müllabfuhr kommt und welche Farbe abgeholt wird. Grün (das ist alles was mit Recycling zu tun hat) wird jede Woche abgeholt. Schwarz (das ist der Restmüll) alle zwei Wochen. Man erkennt den mahnend erhobenen Zeigefinger! Recycling gut, Restmüll böse.

Zu jeder Farbe gibt es zwei Möglichkeiten, Tonne und/oder Sack. In meiner Straße hat jedes Haus eine schwarze Tonne. That´s it. Grün kann nur im Sack abgeholt werden. Wenn eine Studenten-WG mit drei Studis nicht genug Platz in der schwarzen Tonne hat (immerhin wird ja nur alle zwei Wochen geleert), gibt es schwarze Säcke. Nun hat nicht jeder Lust die Säcke wochenlang im Haus aufzubewahren, also stellt man sie vor die Haustür. Soweit so gut. Man könnte sich daran gewöhnen. Grüne und schwarze Säcke säumen fein säuberlich die Straße.

Dummerweise leben wir hier am Meer. Es gibt eine Reihe von (wahrlich Riesen-) Möven, die als hungrige Tiere gelernt haben, dass in den Säcken so manches Leckerli versteckt ist. Ergebnis sind aufgerissene Säcke mit weitverstreutem Inhalt. Sehr appetitlich. Aber mit der Zeit gewöhnt sich der Mensch an alles. Ich habe außerdem gelernt, dass wir in meiner Straße noch zu den Glücklichen zählen, die immerhin eine Tonne bekommen haben. In manchen Straßen sind die Häuser so nah am Gehsteig, dass kein Platz für Tonnen ist. Dort gibt es nur noch Säcke. Und so stapeln sich über die zwei Wochen grüne und schwarze Säcke. Manche stellen sie höflicherweise in den Vorhof vom Haus, andere gleich auf den Gehsteig, andere suchen sich sonst irgendwo ein nettes Plätzchen. Erst gestern hat sich ein kleiner schwarzer Alien in meine noch relativ leere schwarze Tonne verirrt. Mangels Alternativen habe beschlossen ihm Asyl zu gewähren, bis in zwei Wochen die Müllabfuhr kommt und schwarz an der Reihe ist….

Und natürlich … das Englische Wetter

Oh Verzeihung, das walisische Wetter. Wie der Dumont Reiseführer so schön schreibt: Selbst die Engländer kommentieren das walisische Wetter mit dem Hinweis, es gäbe dort reichlich Niederschläge. Viel Regen gab es bisher nicht, aber eines habe ich bereits über das Wetter hier herausgefunden: Man ist immer falsch angezogen. Das liegt nun noch so sehr an der Qualität des Wetterberichts. Die geben sich wahrlich Mühe, die Wetterlage zu erläutern.
Aber sie können auch nicht verhindern, dass das Wetter ständig wechselt. Kaum hat man wegen dem kalten Wind die Jacken bis oben geschlossen und alle Luken dicht gemacht, brennt die Sonne herunter als wären Hochsommer nur um dem nächsten Regenschauer platz zu machen.
Ich bin normalerweise kein Freund von Klischees. Statements wie: alle Iren sind rothaarig, alle Bayern trinken Bier und Frauen können keine Karten lesen, finde ich bestenfalls idiotisch, schlimmstenfalls bringen sie mich auf die Palme. Aber ein Klischee muss ich hiermit leider offiziell bestätigen: Briten laufen beim ersten Sonnenstrahl herum als wäre Hochsommer. Mädchen mit Minirock, Seidenstrümpfen und dünnem Trägerhemdchen, Männer mit kurzen Hosen und T-Shirt. Und daneben ich mit zwei Jacken übereinander und Schal. Gerade dass ich noch keine Handschuhe brauche. Aber manchmal wären auch die von Vorteil.
Vor ein paar Tagen kam bei einem Abendessen mit Walisern die Diskussion auf das walisische Wetter. Dabei gab es einen Punkt, bei dem sich alle Anwesenden Briten einig waren: 1976, das war ein richtig super Sommer!!! Na, da bestehen ja richtig gute Chancen, dass der Wettergott nach 36 Jahren wieder die Sonne brennen lässt.
Übrigens herrscht – man mag es glauben oder nicht – Trockenheit in Großbritannien. Es gab bereits die ersten Warnungen. Wenn es nicht bald regnet, dürfen in England (wohlgemerkt England) bald keine Gärten mehr gewässert werden. In Wales sieht die Lage dagegen noch ziemlich grün aus (in jedem Sinn des Wortes).

Auf royalen Abwegen

Ich muss an dieser Stelle ein Geständnis machen. Ich beneide alle Nationen, die sich heute noch eine Monarchie leisten! Nach den nicht sehr erfolgreichen Vorstellungen der letzten Bundespräsidenten in Deutschland, wäre es doch eine erfrischende Abwechslung einem würdevollen Monarchen mit ebenso würdevoller Gattin zuzujubeln, mit ihren Kindern mitzufiebern wenn sie sich verlieben, mitzuleiden, wenn sie sich wieder trennen, mitzufreuen, wenn sie dann doch endlich heiraten und voller Rührung mitzuverfolgen, wenn der Nachwuchs (mit den niedlichen Babyfotos) kommt, aufwächst, zur Schule geht, studiert (oder auch nicht) und sich schließlich wieder verliebt…
Nach vier Jahren spanischer Monarchie werde ich nun einen kleinen Einblick in die Englischen Royals bekommen. Und der erste Eindruck ist: es wird spannend. Kürzlich waren wir über Nacht bei einem "very british" Ehepaar eingeladen, beide sehr aktiv in der Lokalpolitik und begeisterte Fans der Queen. Wohlgemerkt der Queen. Selbst die Kommunisten, so ihre Aussage, würden die Queen unterstützen. Der Rest der königlichen Familie wird eher kritisch beäugt. Die beiden Jungs William und Harry haben noch Sympathiepunkte,einfach weil sie noch sehr jung sind und sich bisher noch nichts Schwerwiegendes zu Schulden haben kommen lassen. In der Kritik stehen vor allem die Middle Ager, allen voran Diana und Charles (über Camilla schweigt man sich gerne aus).
Ach ja, und es scheint wohl ein offenes Gerücht zu sein, dass Harry angeblich nicht der Sohn von Charles ist!!!! Isn`t it shocking? Beweis: man braucht sich doch nur die Fotos anzusehen… Wie langweilig ist doch dagegen die  Korruptionsaffäre um Wulff…
Harry legt übrigens gerade seine Feuerprobe als offizieller Repräsentant des Königshauses ab und bereist Brasilien und die Karibik. Auch wenn die Presse überproportional viele Fotos des Prinzen mit hübschen jungen Damen und/oder mit Glas in der Hand zeigt, scheint sein Auftritt ein großer Erfolg zu sein. Aber sehen wir weiter.

Royal watch bleibt im Dienst und meldet weiterhin von der Front. Stay alerted!

Wohnungssuche

Wohnungssuche Tag1: Cloudy with a Chance of Bay-View

Auch wenn die Letting Agencies gerne das Gegenteil erzählen. Wohnungen gibt es in Cardiff zu Hauf. Der Zustand der einen oder anderen mag fragwürdig sein, aber ein "shortage in flats" – wie vom Makler behauptet – ist nicht zu erkennen, nachdem er gleich drei Wohnungen aus dem Hut zaubert, die auf meine Kriterien passten: maximal 700 Pfund, halbwegs eingerichtet, halbwegs zentral, Waschmaschine und Fenster zum Öffnen. Ergebnis: drei Wohnungen in der Bay Area von Cardiff.
Die erste Wohnung liegt direkt am Wasser und bietet angeblich einen herrlichen Blick über die Bay. Eine Aussage, die leider auf Grund von Nebel nicht verifiziert werden kann. Vor den Fenstern hängt eine undurchsichtige graue Suppe. Beim Öffnen schlägt mir dagegen der Lärm vom Highway am anderen Ufer entgegen. Also nichts.
Die zweite Wohnung mitten im Zentrum der Bay Area erinnerte an ein New Yorker Loft. Im vierten Stock, mit silbernem Abzugsrohr, das sich dekorativ unter der Decke durch die Wohnung schlängelte. Leider zu kalt, zu leer und schon lange nicht mehr bewohnt. Also auch nichts.
Zur dritten Wohnung fehlen noch die Schlüssel, die Landlady erklärte sich jedoch auf telefonische Anfrage vom Makler bereit zwei Stunden mit dem Zug nach Cardiff zu fahren und die Schlüssel höchst persönlich zu bringen. Als sie ankommt, machen wir uns zu dritt auf zur nächsten Besichtigung. Und wie erhofft: klein, sauber, nette Einrichtung, fertig zum Einziehen. Also habe ich wohl meine Wohnung gefunden?
Da sich inzwischen der Nebel komplett verzogen hat und die Sonne vom Himmel strahlt, nimmt uns der Makler gleich mit zu einer Bay-Besichtigung mit anschließender Standrundfahrt. Resümee für den ersten Tag:

  • Drei Wohnungen in sehr unterschiedlichem Zustand besichtigt.
  • Zwei sehr nette Engländer, sorry Walliser, kennengelernt.
  • Einiges von Cardiff gesehen.

Wohnungssuche Tag 2: Good value für price

Erstaunlich wie viele Leute sich für die Wohnung interessieren. Angeblich war heute Morgen wieder jemand zu einer Besichtigung in „meiner“ Wohnung. Vermutlich wollte der Makler einfach Druck machen. Ich soll mich endlich entscheiden …
Ich hatte mich aber bereits dafür entschieden die Wohnung zu nehmen. Aber hoppla. So schnell geht es dann wohl doch nicht. Erst muss ein Bewerberbogen ausgefüllt werden, dann braucht es Referenzen vom Arbeitgeber in Deutschland (dass ich auch wirklich Geld verdiene), von der Universität in Wales (dass ich auch wirklich dort meine sechs Monate verbringe) und von meinem aktuellen Vermieter (dass ich immer pünktlich und regelmäßig meine Miete zahle). Wie gut, dass sie es mir nicht schon vorher gesagt haben, als ich noch alles prima  vor der Abreise hätte regeln können….
Für stolze 202 Pfund wird die Wohnung für mich reserviert, bis meine Daten geprüft sind. Nach einem hektischen Morgen stehe ich also um 11:00 Uhr wieder auf der Straße, mit einer reservierten Wohnung in der Hinterhand und drei Tagen vor mir zur freien Verfügung.
Und da ich bisher nur die Reservierung habe, aber noch keinen Vertrag, bietet es sich an über den Tellerrand zu sehen und wenigstens ein paar weitere Viewings, also Wohnungsbesichtigungen, zu machen. Zum einen, damit ich später sicher bin, mit der Wohnung die richtige Entscheidung getroffen zu haben, zum anderen um eventuell doch noch die perfekte Wohnung zu finden.
Gedacht, getan. Die reservierte Wohnung liegt in der Bay Area, aber ursprünglich hatte ich mir Roath oder Cathays vorgestellt. In Cathays liegt die University of Cardiff und der Stadtteil ist bevölkert mit Studenten aller Nationen. Das Viertel besteht fast ausschließlich aus Straßenzügen mit typisch englischen Häuserzeilen: grauer Backstein mit weißen Fenstern in den unterschiedlichsten Stadien des Verfalls. An jedem zweiten Fenster hängt ein Schild „to let“. Nach den Schildern zu urteilen, müsste das gesamte Viertel halb leer sein. Später werde ich lernen, dass die Schilder immer ausgehängt werden, wenn klar ist, dass der Vormieter in zwei Monaten auszieht, was bei Studenten eher häufiger der Fall ist.
Noch etwa fällt auf in Cathays. Direkt proportional zur Anzahl der „to let“ Schilder wächst – wenig überraschend – auch die Anzahl der Immobilienbüros. Das erste, offensichtlich mehr auf studentische Mieter ausgerichtet, erinnerte beim Eintreten eher an ein arabisches Teehaus inklusive plüschiger Sitzecke zum Teetrinken mit Räucherstäbchen. Der Makler, Typ italienischer Maffiosi vollständig mit Sonnenbrille und schwarzem Anzug, ist zwar sehr hilfsbereit,  bei der gewünschten two-double-bed-room-flat muss er jedoch passen.
Aber keine Sorge, drei Schritte weiter findet sich bereits das nächste Immobilienbüro. Es hat sogar eine Wohnung im Angebot: “A lovely place, quiet, new refurbished, furnished and such a good value for price.” Was kling wie die Traumwohnung schlechthin, entpuppt sich als Müllhalde mit kaputten Möbeln und einer alten und dreckigen Küche, die jeglicher Beschreibung spottet. Filmreif sind dagegen die Ausführungen des Maklers, der mich von Zimmer zu Zimmer führt und das Chaos in den höchsten Tönen anpreist. Als er mit Blick auf die Müllsäcke im Zimmer noch einmal betont wie sauber und ordentlich die Wohnung ist, kann ich mir das Schmunzeln nur noch schwer verkneifen. Alleine diese Erfahrung war die Besichtigung wert und brachte mir das beruhigende Gefühlt, mit meiner reservierten Wohnung doch nicht so falsch zu liegen.
Aber der Tag ist noch lang und der Immobilienfirmen gibt es viele auf dem Weg. Eine weitere Besichtigung folgt. Die Wohnung ist in Ordnung, allerdings ground floor, also Erdgeschoss. Genau genommen liegt sie schon halb unterhalb der Straße. Bei der Vorstellung, dass die Passanten draußen auf Bauchhöhe an meinem Wohnzimmer vorbei laufen (also ich sehe die Bäuche der Passanten), ist die Entscheidung schnell gefallen. Die Mülltonnen direkt unter den Fenstern geben das ihre zur Entscheidung hinzu.

Wohnungssuche Tag 3: ein Häuschen in Wales

Und weiter geht es. Für den Samstag vereinbare ich noch drei Viewings. Die erste Wohnung, nach der Beschreibung meine Favoritin, entpuppt sich als eine etwas abgewohnte Wohnung im ersten Stock wieder eines typisch englischen Reihenhauses mit Erker und eigenem Eingang über den Hinterhof. Leider doch etwas zu alt und abgewetzt.
Als nächstes kommt eine Schuhschachtel von Haus. Eigentlich gar nicht so schlecht. Unten Küche, Bad und Wohnzimmer, oben zwei Zimmerchen mit Dachschräge. Alles in allem würde ich die Gesamtfläche (also auf beide Stockwerke verteilt!) auf etwa 40 (naja, vielleicht auch 50) m2 schätzen. Immerhin ist ein abgeschlossener Hof mit ein paar Grashalmen dabei.
Letzter Besichtigungstermin ist wieder ein Haus. Und diesmal könnte meine bereits reservierte Wohnung direkt Konkurrenz bekommen. Etwas größer als Haus Nummer 2, bietet es noch einen Garten inklusive Gartenhäuschen und elektrischem Kamin (übrigens neben der Küche und diversen Einbauschränken das einzige Möbelstück im Haus). Aber laut Maklerin kommen die fehlenden Möbel noch, inklusive Waschmaschine und Vorhänge….

And the winner is ……

Es geht doch nichts über klare, eindeutige Entscheidungen, einmal gefasst und bis zum Ende durchgezogen. Heute morgen sollte Schlüsselübergabe für die Wohnung in der Bay sein. Alles ist vorbereitet, die Agency steht in den Startlöchern. Fünf Minuten vor Schluss dann doch noch der Rückzieher meinerseits. Nach einem Wochenende intensiver Überlegungen und vielen Diskussionen mit meinem Schatz, bekommt schließlich doch das Häuschen den Zuschlag. Die Aussicht auf Barbecues im Garten ist doch zu verlockend. Also zurück zum Start und alles noch einmal von vorne.

Finale

Der große Tag ist gekommen. Nach eineinhalb Wochen im Hotel beziehen wir (mein Schatz ist inzwishen auch angekommen) endlich unser Häuschen. Nachdem alle Verträge unterschrieben und wir um 1500 Pfund ärmer sind (Bond + erste Miete), bekommen wir die Schlüssel und machen uns auf den Weg in unser neues Domizil. Dort ist die Landlady, besser gesagt ihr Mann, noch mit den letzten Vorbereitungen beschäftigt, Waschmaschine anschließen, Spiegel an die Wand hängen, Tische aufbauen. Wie versprochen bekommen wir das Haus möbliert und da wir die ersten Mieter seit der Renovierung sind, ist alles funkelnagelneu.
Ein Trip zu Ikea verhilft uns noch zu den notwendigen Accessoires um die ersten Wochen zu überleben. Dann gilt es die elektrischen Installationen auszuprobieren. Das Haus stammt laut Landlady,  wie die übrigen Häuser rundherum, circa aus den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts. Die Familie der Landlady wohnte über 50 Jahre hier. Sie selbst ist in dem Haus aufgewachsen und erst zu ihrer Hochzeit ausgezogen. Seitdem wohnte noch ihr Vater im Haus musste aber schließlich in eine Einrichtung mit betreutem Wohnen ziehen. Unsere Miete wird wenigstens zum Teil die Kosten abdecken.
Obwohl komplett renoviert, spürt man an allen Enden das Alter des Hauses. Es gibt kein Gas und keine Fernwärme. Alles läuft über Strom. In einem der beiden Schlafzimmer steht ein Heißwasserkessel, der nachts von eins bis fünf aufheizt. Das muss für den Tag reichen (in der spartanischen Nachkriegszeit war das vielleicht sogar der Fall). Bei dringendem Bedarf gibt es noch die sogenannte "Boost" Funktion, die für eine Stunde heißes Wasser liefert als technische Hintertür für Vollbad-verwöhnte Warmduscher wie mich. Die Dusche hat zum Glück ihren eigenen Boiler.
Auch die Heizung läuft mit Strom. Und sie läuft mehr oder weniger wann sie will, solange man sie lässt. Das Haus ist komplett mit Nachtspeicheröfen ausgestattet, die nachts, wenn der Strom billig ist, aktiv aufheizen und tagsüber die Wärme abstrahlen. Konkret heißt das man friert sich die Zehen ab oder fühlt sich wie in der Sauna. Aber man spürt die Geschichte des Hauses und das war es ja was ich gesucht hatte. Auf die nächsten sechs Monate in meinem erste (gemieteten) Häuschen, Cheers!

Caerdydd

Man kann es beim Lesen fast erraten. Caerdydd ist die walisische Form von Cardiff, was bereits auf einen wichtigen Punkt hinweist: Cardiff liegt nicht in England, sondern ist die Hauptstadt von Wales. Und falls der werte Leser gerade keine Karte zur Hand haben sollte, hier eine kleine Erläuterung. Das was wir gemeinhin als Großbritannien bezeichnen, ist bekanntlich eine Insel, bestehend aus drei Landesteilen von denen zwei – Schottland und Wales – mit dem dritten – England – möglichst wenig zu tun haben wollen. Dem dritten – also England – ist das dagegen ziemlich egal, solange die anderen beiden brav ihre Steuern zahlen.
Daher ist es auch keine gute Idee, einen Waliser als Engländer zu bezeichnen. Nicht nur, dass man mit einem verächtlichen Blick abgestraft wird und ab diesem Moment sein Bier vermutlich alleine trinken muss, es wäre schlichtweg auch falsch (BTW: die Bezeichnung Briten mögen die Waliser auch nicht besonders. Rein formal wäre es allerdings korrekt.).
Ok und wo liegt nun Cardiff? Für alle, die gerade keine Karte zur Hand haben: Betrachtet man die britische Hauptinseln aus der Vogelperspektive, erinnert sie entfernt (ok, ok, man braucht etwas Phantasie dafür) an einen aufrechtsitzenden Osterhasen mit Blick nach Westen. Zu Schottland gehören in diesem Bild Kopf und Ohren des Hasen, Wales wäre der Bauch und der Rest gehört zu England. Cardiff liegt nun ungefähr in der Bauchfalte, also da wo der Bauch des Hasen aufhört und seine Füße anfangen. (Naja, vielleicht hilft der Blick in die Karte doch besser).
Die Anreise von London nach Cardiff mit dem Zug verläuft schnurgerade von Osten nach Westen und dauert etwa drei Stunden. Zwischenstopps sind unter anderem Reading, Swindon, Bristol und Newport. Das einziges Highlight der Fahrt ist die Querung des Bays zwischen Bristol und Newport. Leider bekommt man davon nichts zu sehen, da die Bahntrasse auf diesem Stück unterirdisch verläuft.
Cardiff selbst ist nicht besonders groß. Durch die vielen Studenten (es gibt vier Universitäten) wirkt die Stadt jedoch sehr lebendig. Insgesamt wohnen hier (laut Wikipedia) 320 000 Einwohner. Und nach drei Tagen bin ich noch keinem einzigen Deutschen begegnet. Offensichtlich befinde ich mich nicht in einer der touristischen Hochburgen Großbritanniens.