Von Saranda nach Tirana

Von Saranda fahren täglich mehrere Busse nach Tirana. Vormittags stündlich, nachmittags alle zwei Stunden. Eine Strecke dauert sechs Stunden, mit einer halben Stunde Pause. Man muss auf jeden Fall vorher das Ticket kaufen und sollte sich an die Platzvergabe im Bus halten – selbst wenn es dort keine ersichtlichen Nummern an den Plätzen gibt. Dann hilft nur zählen. Die Busse stammen übrigens – wie auch schon auf Korfu – mehrheitlich aus aufgelösten deutschen Busflotten, komplett mit deutschen Aufklebern und Schildern, wie beispielsweise "Bitte sprechen Sie während der Fahrt nicht mit dem Wagenführer" oder "Schwarzfahrer zahlen 40 Euro"…

Die Fahrt selbst war – um es mal vorsichtig auszudrücken – abenteuerlich. Nicht zuletzt wegen der etwas gewöhnungsbedürftigen Fahrweise der Albanier. Ich frage mich inzwischen ernsthaft, ob es hier so etwas wie Fahrstunden und eine Führerscheinprüfung gibt. Beispielsweise gehört es zum normalen Fahrstil, anderen die Vorfahrt zu nehmen. Genaugenommen war das die einzige Regel, von der ich erkennen konnte, dass sie eingehalten wurde. Typische Szene: vier Autos an einer Kreuzung. Alle fahren gleichzeitig los, offenbar in der festen Überzeugung, dass sich die anderen bei Gelegenheit schon in Luft auflösen werden. Gebremst wird dann erst in der aller-, Aller-, ALLER-letzten Sekunde. Und millimeterweise löst sich dann der Knoten wieder auf. Das gilt übrigens auch, wenn gleichzeitig noch ein paar Fußgänger im Spiel sind. Eine weitere Regel: man fährt nicht in der Spur, sondern auf der Linie. Das gilt auch für zweispurige Straßen mit Gegenverkehr, was natürlich dem Fahren bei engen kurvigen Bergstraßen eine besondere Würze gibt..

Wichtigstes Werkzeug für unseren Busfahrer war daher die Hupe. Nach sechs Stunden Fahrt denke ich, dass ich den Code weitgehend entschlüsselt habe:

  • Einmal Hupen: Achtung, ich will dich überholen. Bitte wechsle jetzt möglichst nicht die Spur.
  • Zweimal Hupen: Danke!
  • Dreimal Hupen: Geh zurück auf deine Spur du Idiot. Ich will überholen!
  • Heftiges mehrmaliges Hupen: Weg da du Idiot! Ich habe Vorfahrt!

Das Konzept von Zebrastreifen scheint hier ebenfalls nicht bekannt zu sein – obwohl es überall in den Städten welche gibt. Hier warten die Fußgänger bis sich im Verkehrsfluss endlich eine Lücke aufmacht und sie hinübergehen können. Gnädigerweise bleibt dann vielleicht auch der eine oder andere Autofahrer stehen. Aber sicher weiß man es nie, und es kann sein, dass man noch aus dem Weg springen muss.

Letztlich haben wir alle dank unseres erfahrenen Busfahrers doch noch heil und ohne Blessuren nach Tirana geschafft und dank einer albanischen Chemie Professorin habe ich ohne Umwege mein Hotel gefunden.